TEXTILLAND VORARLBERG „Die Zukunft gehört den innovativen Köpfen“
Textiler Günter Grabher erklärt, wie die „Smart Textiles Plattform“ Forschung betreibt, welches Potenzial Textilien haben und weshalb es junge, innovative Köpfe braucht.
Herr Grabher, die heimische Textilindustrie hat sich nach dem Niedergang in den 1980er-Jahren wieder erholt und sich in diversen Nischen weltweit einen guten Namen gemacht. Wie geht es Ihrer Meinung nach weiter?
Nun, im klassischen Bekleidungs- und Textilsegment haben wir in meinen Augen den Boden noch nicht erreicht. Westafrika ist zwar von der Coronakrise nicht so stark betroffen, politisch aber extrem instabil. Die Zukunft wird für die Betriebe hier in Vorarlberg auf jeden Fall in den Nischen liegen. Ein Fokus liegt ganz sicher auf dem Bereich Gesundheit. Die Menschen werden immer älter und die Pflege folglich eine immer größere Herausforderung - sowohl für die pflegenden Personen wie finanziell. Es braucht daher Assistenzsysteme, welche die Pflege zuhause ermöglichen und sie somit bezahlbar machen.
Ihre Grabher Group, die aktuell zehn Unternehmen umfasst, wird sich also einmal mehr spezialisieren und in der Folge wachsen?
Ja. Aktuell sind wir dabei, ein Unternehmen zu gründen, das Medizinprodukte selbst herstellen und liefern darf - bislang haben wir in den Bereichen Pflege und Gesundheit ja „nur“ Forschung für andere Unternehmen betrieben. Allerdings ist es gar nicht so leicht, eine MDR-Zulassung zu bekommen (Anm.: EU-Medizinprodukteverordnung). Aber wir haben schon ganz andere Hürden gemeistert.
Wie ist es eigentlich zu der Vielfalt an Unternehmen gekommen?
Ich habe vor gut 25 Jahren ganz traditionell mit einer Schermaschine für die Textilveredelung angefangen. Der Plan war also, dass wir uns im Bereich Veredelung, aber auch in anderen, wenn man so möchte, klassischen Verarbeitungsschritten wie Bleichen und Drucken positionieren. Allerdings war uns bald klar, dass die Textilindustrie, wie wir sie kannten, nicht mehr funktioniert.
Weil es zu teuer ist, Stoffe hier zu produzieren? Oder hat Sie die Produktion eines einfachen T-Shirt-Stoffes, überspitzt gesagt, nicht gereizt?
Letzteres nicht. Wenn die Menschen wüssten, wie viele Arbeitsschritte und wie viel Technologie selbst hinter einem normalen T-Shirt-Stoff liegen, wäre ihnen schnell bewusst, dass die Preise nicht stimmen können. Doch Fakt ist: Wir können mit Billiglohnländern nicht mithalten. Also haben wir uns überlegt, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt. Und so haben wir vor 13 Jahren mit der V-trion eine eigene Forschungseinrichtung gegründet, die unter anderem auch zu der Vielfalt an Unternehmen in der Grabher Group geführt hat.
Das war aber noch nicht die „Smart Textiles Plattform Austria“?
Nein. Smart Textiles wurde vor etwa zehn Jahren gegründet. Dabei handelt es sich übrigens nicht um ein eigenes Forschungsunternehmen, sondern um einen Zusammenschluss von Textilbetrieben mit dem Ziel, das über all die Jahre aufgebaute Know-how gemeinsam zu nutzen. Die Unternehmen betreiben eigene Forschungsarbeit und bringen diese in die Plattform ein. Außerdem arbeiten wir sehr eng mit dem Textil-Kompetenzzentrum „Vorarlberg tccv“ (Anm.: eine Forschungseinrichtung, die an der Universität Innsbruck hängt) zusammen. Und da es so gut wie immer um technologieübergreifende Forschungsprojekte geht, benötigen wir zudem Kompetenzen aus anderen Industriezweigen.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit bei Smart Textiles vorstellen? Immerhin sind nicht nur eine Handvoll Unternehmen beteiligt.
Aktuell sind es 87 Mitglieder aus den unterschiedlichsten Bereichen, größtenteils aus Vorarlberg. Vor Corona haben wir wöchentliche Meetings mit jeweils rund 15 Mitgliedern hier im Smart-Textiles IoT Lab in Lustenau veranstaltet. Bei diesen Treffen werden Projekte vorgestellt, im Anschluss wird diskutiert, ob sie von Relevanz sind, ob sie umsetzbar sind, ob Interesse vorhanden ist usw. Ist das der Fall, schauen wir uns an, wie das Projekt realisiert werden kann, welche Forschungsförderungen es gibt usw.
Das letzte Meeting war in dem Fall vor bald einem Jahr?
Ja. Derzeit tauschen wir uns regelmäßig online aus. Das ist gut und wichtig, schon alleine deshalb, weil wir aktuell 14 Forschungsprojekte am Laufen haben. Doch um neue zukunftsweisende Projekte zu diskutieren, braucht es einfach den persönlichen Kontakt. Bei einem der letzten Meetings haben wir übrigens über die Fertigung von Schutzmasken gesprochen...
die dann ja innerhalb weniger Wochen verfügbar waren. Geht es immer so schnell?
Das wäre toll, ist aber leider die Ausnahme. In den meisten Fällen braucht die Umsetzung mehr als drei Jahre. Zwar ist der Prototyp oft schnell entwickelt. Doch die vielen Schritte danach - von der Produktion bis zur Verpackung - sind extrem aufwändig. Interessanterweise ist auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Sparten eine große Herausforderung. Smart Textiles sind ja immer eine Kombination aus Textil, Elektronik und Software. Da bräuchte es fast schon Übersetzer, damit sich die Entwickler verstehen.
Wie schaut es denn mit dem Nachwuchs an Fachkräften aus?
Der Fachkräftemangel ist natürlich auch in unserer Branche ein stetiges Thema. Es gibt die Textil-HTL, das Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck und das Textil-Kompetenzzentrum Vorarlberg tccv, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Das Problem aber ist, dass es in Österreich keine einschlägige Ausbildung im Bereich Smart Textiles gibt. Entsprechend müssen sich Studenten und Abgänger das Wissen etwa im Rahmen von Praktika in den Mitgliedsunternehmen der Smart Textiles Plattform bzw. im Job selbst aneignen. Allerdings ist es wichtig, den angehenden Textilern schon im Vorfeld ein gewisses Grundverständnis zu vermitteln, wofür wir eigene Smart Textiles Kits entwickelt haben. Die Zukunft gehört innovativen Köpfen - auch dafür machen wir uns gemeinsam stark.